Dr.-Ing. Jungnickel

VEB Robotron-Elektronik Fachgebietsdirektor E2 Chefkonstrukteur der DDR im ESER

 

Standpunkt

zu Grundfragen der Perspektiventwicklung Rechentechnik

 

1 - Prämissen der langfristigen Entwicklung

  • Die Entwicklung der Rechentechnik-Industrie der DDR und der Anwendung der Rechentechnik erfolgt auf Basis einer engen Ver­flechtung im Rahmen der sozialistischen ökonomischen Integration auf Basis KP WTF (d.h. in echten Spezialisierungsrichtungen der Arbeitsteilung).
  • Die Rechentechnik-Industrie der DDR als wesentlicher Teil der Elektrotechnik/Elektronik hat perspektivisch tragend einen SW-Exportüberschuß zu sichern.
  • Der Hauptwiderspruch der überschaubaren Zeitperiode besteht in gravierenden Mängeln an Peripherie - sowohl quantitativ als auch qualitativ.
    • Ca. 600 T PC im Zeitraum 1991-1995 Gesamtproduktion - dafür ca.
      200 T Winchester-Plattenlaufwerke 5-1/4 " einschließlich
      Soloexport-Forderungen ca. 1 Mio FD-Laufwerke und ca. 1 Mio
      Seriendrucker einschließlich Soloexport (Planzahlen), wobei die gegenwärtige Fertigungskapazität bei Seriendruckern und FD-Lauf­werken ca. 1/4 der o.a. Kapazität beträgt, leistungsfähigere kleine Laserdrucker - ca. 10 TStück.
    • die wissenschaftlich-technischen Parameter der Peripherie sind unzureichend, um leistungsfähige PC/Arbeitsstationen zu komplettieren;
    • für leistungsfähige Host-Rechner fehlt de facto ein Peripherie-­
      aufkommen (mit Ausnahme Terminalsubsysteme, wenn hier eine
      Absicherung der Bildröhren/Anzeigen-Produktion auf hohem wissen-­
      schaftlich-technischen Niveau gelingt);
    • absolut gravierend ist das Problem der offenen Absicherung
      mit 1eistungsfähigen Direktzugriffsspeicher-Medien und back-up
      Speichern/Archivspeichern für Host-Rechner.
  • Die Anwendung der Rechentechnik als wesentliches Mittel der Intensivierung und Rationalisierung vollzieht sich, ausgehend von umfangreichen internationalen Erfahrungen, in einer zwingenden Einheit der weitgehend proportionalen Leistungsentwicklung auf allen Ebenen der hierarchischen Anwendungspyramide, die beschlos­sene breite Einführung von Personal- und Arbeitsplatzrechentechnik sowie von CAD/CAM-Technik der mittleren Leistungsebene erfordert zwingend den Ausbau der Anwendungen der universellen Informations- ­und Datenverarbeitung mit vorrangiger Datenbank- und Datenkommu- nikationsanwendung (Bereiche Planung, Materialwirtschaft, Handel. Dienstleistungsbranchen, Unternehmenslenkung/-Leitung; Finanzwesen usw.)
  • Die Hauptaspekte der Leistungsentwicklung der Rechentechnik liegen auf dem raschen Technologiefortschritt und der maximalen Nutzung vorhandener Ressourcen und Erfahrungen durch Kontinuität und Kompatibilität; die bedeutenden Möglichkeiten der Vernetzung und der weltweit gemischten Anwendung unterschiedlicher Architekturen in effektiven Gesamtsystemen aeigen keinerlei Notwendigkeit zur Vereinheitlichung von Architekturen der Rechentechnik als Kern­problem volkswirtschaftlicher Anwendungs-Effektivität.
  • Die internationale Marktentwicklung des NSW und des RGW beweist, die IBM—Architektur dominiert am Markt für Hostrechentechnik mit einem Volumen von über 60 % bei sog. Mainframes durch IBM (d.h. 1986 ca. 14 Mrd. $) und weiteren 20 % durch Produzenten kompatibler Mainframes (besonders in Japan) und vertritt auf dem Gebiet der Supermini einen wesentlichen Anteil (z. 2. mit ca. 25 % des NSW-Marktes führender Produzent, DEC hat knapp 10 % Marktanteil), Im RGW-Bereich (UdSSR) ist diese Situation z. Z. total zugunsten ESER entschieden und wird sich perspektivisch nicht ändern. Diese Entwicklung ist ein schlagender Beweis für die Effektivität und Universalität dieser Architektur.
  • Eine Abkehr der DDR von diesem de-facto-Weltstandard führt die Anwendung der Rechentechnik zu überwiegenden Isolationserscheinungen und damit Verlusten.

 

2. Grundsätze der längerfristigen Entwicklung von

2.1 . Mainframe/-supermini-Bereich

·         Die DDR-Rechnerindustrie muß aus Eigenaufkommen ein maximal mögliches
technologisches Tempo zur Realisierung von leistungsfähigen Univer­
salrechnern (im internationalen Sprachgebrauch: der mittleren Lei­
stungsklasse) sichern, da die Breite der Einführung der PC/Arbeits­
stationen für diesen Überbau ebenfalls eine maximale Leistungs­
steigerung erfordert. Dafür ist ohne Entwicklungspausen ein pro­
gressives Etappenprogramm zu sichern.

·         Das in der DDR bestätigte Programm der Höchstintegration (Staats­
auftrag) mit seinem Kern Höchstleistungs-Unipolartechnologien,
vorrangig CMOS-Linie, ist dafür die einzig existierende gesicherte
Basis. Diese Basis ist in Kombination mit neuartigen Unterbaugruppen-
technologien (Multichip—Moduln, leistungsfähige Leiterplatten—
konzepte), die die Realisierung von ausreichend großen funktionellen
Komplexen mit geringsten Kontaktzahlen und geringen Kupferlauf­
zeiten sichern, die Hauptlinie dieser Entwicklung. Die CMOS ist

  • die Hochstingegrationstechnologie der Zukunft. Die Nutzung des Programms U5000 sichert im Zeitraum 1993 die Produktion von Rechnern mit ca._ 2 Mio Op/sec (Mix GIBSON 32) für eine Einprozessor-lösung auf 1 Platine, d.h. auf Basis Mehrprozessor-(Quadro)Variante effektiv 5 Mio Op/s, der Einsatz von U55oo ermöglicht 1995/96 die Erhöhung der Einprozessorlösung auf ca. 4-5 Mio bzw. der Mehr-Prozessorlösung auf ca. 15 Mio Op/s.
    • Eine Alternativ-Orientierung auf bipolar-Lösungen (ECL) ist z.Z. unvertretbar und abzulehnen.
    • der Arbeitsbeginn bei HFO liegt frühestens 1991, der Entwicklungs­abschluß im LN 3/4 nicht vor 1994.
    • das Investprogramm und Kadersicherungsprogramm erfordern Auf­wendungen; die außerordentliche Dimensionen erreichen und seitlich absolut alternativ zu neuartigen und perspektivischen Arbeits­richtungen liegen (z.B. GaAs-Programm einschließlich Hochinte­grationevarianten) •
    • eine ECL-basierte Rechnerentwicklung wäre nicht vor 1996 ab­schließbar und impliziert weitere spezifische Investprogramme in Dimensionen, sie führt zur weiteren technologischen Zer­splitterung in den Robotron-Fertigungsbereichen, ein begründeter Ausweis einer höheren Leistung oder anderer Vorteile, als mit U5500 erreichbar, ist z.z. nicht führbar.
    • Eine längerfristige Perspektive wäre nicht gegeben, diese variante wäre ein technologische Sackgasse.

 

  • Für die DDR-Rechnerindustrie ist der vertraglich gesicherte SW-Export (MRK-Spezialisierung) auf Basis ESER-EDVA (mit 2,5 Mio -5 Mio Op/s gemäß Konzeption ESER IV der MRK) die einzige prinzipiell gesicherte Exportposition; auf allen anderen Rechnergebieten ist z.Z. eine äußerst komplizierte Konkurrenzsituation im Rahmen MRK gegeben.
  • Das Kombinat Robotron ist aber dringend auf einen hohen SW-Export­anteil auf diesem Gebiet angewiesen.
  • Dieser Exportanteil wird um so sicherer, je leistungsfähiger und seitlich kurzfristig das Rechnerangebot ist.
  • Für die perspektivisch tragende und effektive Anwendung der
    Rechentechnik im oberen Leistungsbereich der Anwendungspyramide
    ist die Koexistenz verschiedener Architekturen auf unterschied­
    lichen Niveaus (und für verschiedene Zweckorientierungen der
    Anwendung) zu sichern und auf Basis eines klar abgestimmten
    Hierarchiekonzeptes, einschließlich der Nutzung von lokalen
    Kopplungen, lokalen Netzen und entfernten Kopplungen auszuge­
    stalten .
  • Die Host-Rechentechnik ist vorrangig auf Datenbank-Anwendung und evolutionäre Weiterentwicklung einer breiten Palette von exi­stierenden EDV-Projekten zu richten, darunter auch auf die datenkompatible Weiterverarbeitung von Daten von CAD/CAM-Arbeitstationen für die zentrale Produktionsplanung» -leitung und -lenkung. Damit bewegt sich die DDR in voller Übereinstimmung mit den internationalen Entwicklungstendenzen und der UdSSR-Praxis .

 

2.2. PC-Bereich

  • Die breite Ausstattung der DDR-Industrie mit leistungsfähigen
    16—bit—Personalcomputern mit dem Kompatibilitätsniveau IBM/XT/AT
    (1995 in DDR ca. 300 TStück) ist bzgl. der Bereitstellung der SK-
    Basis entsprechend PMR-Beschluß (CPU VI-Programm) gesichert zu
    betrachten; das wird in der Realität gestützt durch die hoch-­
    gradige Ausrichtung auf die forcierte Stückzahlerhöhung bei PC-
    typischer Peripherie. Diese Linie ist als langfristige Anwen—
    dungslinie gestaltbar.
  • Die DDR-Mikroelektronikindustrie verfügt um ca. 1991/92 über ein
    LN5 bei Unipolartechnologien und über VLSI-Bntwurfstechnologien
    und -erfahrungen sowie über Entwurfskapazitäten von mehreren
    VLSI-Äquivalenten/Jahr. Sie ist dann in der Lage, das Sk-Spektrum
    I80386 au realisieren.
  • Der Einstieg der Logikentwerfer mehrerer Industriebereiche auf Basis U5000 verbessert diese Situation und ermöglicht zusätzliche  Produktentwicklungen
  • Die Breitenanwendung der 16-bit-PC führt bis ca. 1995 zu wesent­lichen und zwingenden Wachstumsanforderungen aus breiten Anwen-derkreisen nach projekt- und datenkompatibler Weiterführung der Architekturlinie I8086/I80286 mit Mikrorechnern auf Basis I80386.
  • Mikrorechnersysteme auf Basis 80386 sind geeignet für anspruchs-­
    vollste Anwendungen für CAE/CAD-Stationen, leistungsfähige
    Grafik; Text- und Sprachverarbeitung, Bildverarbeitung, Export­
    systeme, Fertigungs- und Informationsverarbeitung u.a. und sind
    für vernetzte PC-Anwendungen die ökonomischste Wachstumsvariante.

Die Eigenschaften der vollen Objektcode-Kompatibilität au 8086 und 80286 und die Eigenschaft des 80386, auf ihm parallel mehrere virtuelle 8086- und 80286Maschinen zu bilden, ermöglichen dem Anwender- Software von 3 Generationen Mikrorechnern/PC der Linie Intel gleichseitig abzuarbeiten!