Der Autor dieser Zeilen hat die UdSSR bzw. Russland und
wichtige GUS- Staaten im Zeitraum 1961 bis 2007 sehr intensiv
selbst erlebt und studierte bzw. arbeitete ca. 14 Jahre in Russland.
Das veranlasst besonders immer wiederkehrendes Nachdenken
und Analysen - aus aktueller Sicht- über die Widersprüche
zwischen höchst anerkennenswerten, ja bewunderungswürdigen Leistung
der Menschen in der UdSSR in vielen Bereichen, der Schaffung
extrem leistungsfähiger Industriekomplexe und Produkte in Wissenschaft
und Technik, der Effektivität des Managements außerordentlich komplexer
Projekte der Schwerindustrie, der Raumfahrt, verschiedenster
Waffensysteme, des hohen Niveaus der Kultur und Bildung einerseits
und dem "demokratischen
Klima" des öffentlichen und kulturellen Lebens- und
Arbeitsumfeld im heute allgemein als sowjetisches Sozialismus-
Modell bezeichneten System andererseits.
Dieser Artikel wurde ursprünglich
mit dem Ziel erarbeitet, Erinnerungen zur Zusammenarbeit mit unseren
sowjetischen Kollegen und Arbeits-Partnern, den persönlichen Beziehungen
zwischen russischen (d.h. sowjetischen) und deutschen ( d.h.
DDR)- Spezialisten in der ESER- Zeit (ab 1968) darzustellen,
sowie deren Wandel bis 1990 und später zu verfolgen, basierend auf
persönlichen Erinnerungen und denen von Freunden. Solche Betrachtungen
sind jedoch zwangsläufig nicht zu trennen von Analysen, die sich
aus den tiefen Abhängigkeiten der Entwicklung des Gesellschaftssystems
der DDR vom sowjetischen Sozialismus- Grundmodell ergaben, deren
Wechselbeziehungen auf die langjährige Arbeit des ESER- Teams der
DDR mit sowjetischen Organisationen, Persönlichkeiten und
einfach Fach- Kollegen. Es war dem Autor dabei auch
wichtig, diese Darstellungen in einen Zusammenhang mit dem geschichtlichen
Fakt zu stellen, dass viele unserer sowjetischen Kollegen direkt
oder indirekt viele Jahre unter den Bedingungen der Sicherheitsdoktrin
der UdSSR, meist an sensibler Stelle, lebten und meist "dual"
sowohl an zivilen, als auch nicht-zivilen Projekten arbeiteten.
Das immer wiederkehrende Nachdenken
nach den Wurzeln des Kollaps des sowjetischen Sozialismusmodells,
welches ja in allen europäischen RGW- Staaten vergleichbar war,
bietet vor allem im 20. Jahr des Zusammenbruchs der DDR immer neue
Anstöße. Viele Medien- Auftritte (staatlich gesteuerte oder geförderte?)
mit oftmals antikommunistischem Tenor zur DDR- Geschichte, aber
sehr selten mit echten Analysen der Beziehungen zwischen UdSSR und
DDR, rufen oft nur Widerspruch und Kopfschütteln hervor. Aber
ein wiederholtes Nachdenken ist dennoch sinnvoll, um mehr persönliche
Antworten auf viele Fragen zum "Warum" zu finden.
Die DDR ist im Ergebnis des
Sieges der Sowjetarmee über Hitlerdeutschland entstanden und die
Schaffung eines europäischen sozialistischen Staatenbundes war ein
konsequentes Ergebnis und historische Chance sowohl für die Führung
der UdSSR als auch der demokratischen Kräfte der Staaten, ein sozialistisches
Gesellschaftskonzept in diesen Ländern aufzubauen. Unter Anleitung
und mit Unterstützung der UdSSR- Organe wurden in der späteren DDR
die antifaschistisch- demokratischen Kräfte befähigt, dieses Ziel
umzusetzen. Es gab dabei - an der Nahtstelle der gegenüberstehenden
Machtsysteme- sowohl in der Startphase, als auch später keine wirklichen
Alternativen zu einem engen politischen und wirtschaftlichen Bündnis
mit der UdSSR und zum in der UdSSR praktizierten Sozialismus- Modell. Ohne
die UdSSR war insbesondere die DDR als eigenständiger deutscher
Staat nicht lebensfähig. Auch wesentliche Veränderungen und insbesondere
ökonomische Reformen waren nur im Verbund der europäischen sozialistischen
Staaten möglich.
Die Staaten des RGW waren alle
nur im Verbund mit der UdSSR und unter Akzeptanz des sowjetischen
Politik- und Wirtschaftssystems lebensfähig, die Erosion des Sowjetsystems
musste zwangsweise zum Zusammenbrauch des gesamten sozialistischen
europäischen Staatenverbundes führen!
Heute ist besonders deutlich,
dass insbesondere die wirtschaftliche Leistungskraft des Sozialismus
zu dessen tiefer Krise führte. Welche tiefgreifenden Abweichungen
von den ökonomischen Lehren des Marxismus [ z.B. das Unverständnis
bzw. die selbstherrliche Ignoranz des gesetzmäßigen Wirkens des
Wertgesetzes, des Mehrwertgesetz-] und welche tiefen Verletzungen
einer humanistischen und demokratischen Grundordnung des Sozialismus
zu einer Entartung des sowjetischen Sozialismus- Modell führten
[ z.B. die schwerwiegenden Fehler in der Bündnispolitik mit der
sozialen Schicht der Mittelbauern und der paranoide Terror gegen
jeden Andersdenkenden, der dogmatische Machtanspruch der KPdSU anstelle
der Ausgestaltung einer demokratischen Macht des Volkes ], ist z.B.
im Buch "In Stalins langem Schatten"
von Hans Kalt vor allem mit tiefgründigen ökonomischen Analysen
detailliert dargestellt.
Die Ursachen der Verwerfungen
gehen mindestens bis in die Zeit nach Lenins Tod zurück und wurden
in der UdSSR nie wirklich korrigiert. Für die Zeit des Starts der
Perestroika muss man heute daran zweifeln, ob dieser Politik ein
wissenschaftliches und zielgerichtetes sozialistisches Führungskonzept
zugrunde lag. Die ideologischen Wirrungen innerhalb der KPdSU hatten
das Land bereits unterhöhlt. Es wurden auch keine Versuche
deutlich , die Deformationen der Marx'schen Lehren zur Politökonomie
ernsthaft zu überwinden. Der technologische kalte Krieg hatte darüber
hinaus bereits tiefe Erosionswirkungen der Gesellschaft hinterlassen.
Deren Auswirkungen wurden allerdings erst Mitte der 80er Jahre für
Jedermann sichtbar, als die technologische, und damit wirtschaftliche
und ideologische Erdrosselung des Sozialismus durch die USA und
die westliche Welt bereits eine tiefe Deformation und
Widersprüche ausgelöst hatte.
Im Kontext
des Komplexes der ESER- Geschichte sollen hier
Fragen nach
dem "gespürtem" Klima der Zusammenarbeit, nach dem Einfluss
der Einordnung der ESER - Arbeiten der UdSSR in den Komplex der
Veteidigungsindustrie der UdSSR oder nach den Sicherheitsanforderungen
(Sicherheitsdoktrin) an die Entwicklungsbereiche u.a. zur Diskussion
stehen, aber auch Fragen im Zusammenhang
mit dem Technologie- Dilemma, auf das die sozialistischen Staaten
hinsteuerten.
Ein derartiger Artikel im Kontext der ESER-Seiten?
Unmittelbarer Anlass waren u.a. die sich in letzter Zeit wieder
häufenden Publikationen zu erschütternden Fakten und Zusammenhängen
um die Mechanismen und Verbrechen der Diktatur der Führungsspitzen
der KPdSU der Sowjetunion, der "Führung" des Landes und
eines bestimmten Anteiles von willfährigen, oft extrem kriminellen
Helfershelfer innerhalb des KGB (UdSSR-Komitee für Staatssicherheit)
bzw. von Organen des "Ministeriums des Inneren" mit ihren
grausamen Praktiken, welche ( neben vielen weiteren Widersprüchen)
vor allem im krassen Widerspruch zu den
Leistungen der wissenschaftlichen und künstlerischen Intelligenz
der Sowjetunion, dem gewaltigen Aufbauleistungen im Bereich der
Grundstoffindustrie u.a. der äußerst talentierten russischen Menschen
stehen. Ja, eines bestimmten Anteiles dieser Mitarbeiter
- weil es Abertausende von ehrlichen und moralisch sauberen Mitarbeitern
gab, auf die die Praxis einer relativ kleinen Gruppe heute ihre
Schatten wirft.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die heute bekannten
erschütternden
Fakten der Repressionen der Stalin- Diktatur stehen in einer ganzen
Reihe massiver Verbrechen am Völkerrecht und den Menschenrechten
aus dem letzten Jahrhundert. Die Millionen Toten und massenhaften
Grausamkeiten der Regime unter Hitler, Franko, Pinochet und die
Verbrechen der Militär- Diktaturen Lateinamerikas unter Anleitung
durch die M. Friedmann-Ideologen des sog. Neoliberalismus und deren "Chikago-Boys"
**)
verschiedener Spielart sind durchaus vergleichbar.
Auch der brutale Terror von Mao oder Pol-Pot sind zutiefst zu verurteilen.
Aber
die
sowjetische
Gesellschafts-Ideologie und Praxis des Aufbaus des Sozialismus war
als ideologische Alternative der "Geschichte" zum Kapitalismus
das Symbol der Hoffnung auf eine neue sozial gerechtere demokratische
und humanistische Ordnung. Sie wurde als human und menschenfreundlich
propagiert und von Millionen so verstanden.
Weil sich die Ziele
dieser Ideologie und die Praxis der Gesellschaftsprozesse so grundsätzlich
widersprachen, ist aber das
"Stalin-System" -
diese dogmatische Entartung der Ideologie und der absoluten Form
von Machtausübung und Terror unter der Flagge des Sozialismus -
einer besonderen Betrachtung wert!
Die aktuellen Materialien zum "Stalin-System"
und viele andere aus jüngerer Vergangenheit, aufbauend auf authentischen
Quellen und komplex zusammengestellt, stellen die
paranoiden
Mechanismen der skrupellosen Diktatur im Namen "des
Aufbaus des Sozialismus und des Wohles des sozialistischen Vaterlandes"
weit komplexer dar, als sie in der breiten Öffentlichkeit, darunter
auch dem Autor etwa nach 1990 bekannt wurden. Die Ermordung von
insgesamt ca. 20 Millionen Menschen aller Altersgruppen und Nationen
aus vorrangig "Gründen des Machtkalküls der Stalin- Führung"
- erschossen, im Lager oder bei Deportationen verhungert oder erfroren;
darunter ca. 2 Mio. Sowjetbürger ermordet zur Liquidierung vermeintlich
ideologischer und politischer "Feinde des Volkes" - allein
in den Jahren der größten Terrorwelle wurden 1937/38 ca. 700 000
Menschen hingerichtet
*)
sind
erschütternde
Fakten der Geschichte, die noch bis 1988 /90 offiziell tunlichst
geheim gehalten wurden. Die "
Führungs- Nomenklatura " des Stalin- Regimes vernichtete jegliche
potentiell für die eigene Macht gefährlichen Mitstreiter, einen
Großteil der Elite aus
Politik, der kulturellen "Intelligenzija"
und der Wirtschaft,
des Offizierskorps der Roten Armee, ja die eigenen Väter und Familienangehörigen.
Wenn auch die "potentiellen Gefahren" für Stalins Clique
weniger aus dem Bereich der Technik und Industrie kamen, so erfassten
doch die Wellen des Terrors in unkontrollierbarer Form brutal und
zynisch auch diese Personengruppen.
Der Autor
bezieht sich hier u.a. auf die historischen Analysen der Autoren
Alexander_N._Jakowlew
,
Nicolas_Werth ,
Karl_Schlögel,
die die massenhaften grauenvolle Verbrechen von 1917 bis etwa 1960
an den Völkern der UdSSR und vielen führenden Persönlichkeiten darstellen
, aber auch auf W. Mayers Aufsatz
"Mythen der Macht".
Das bemerkenswerte Buch von
Naomi Klein "Die
Schock- Strategie" zeigt die Auswüchse
des Friedmann- Neoliberalismus.
Aber man sollte keineswegs die Publikationen
zu den Verbrechen in der Stalin-Ära, wie etwa das
Buch A. Jakowlews, ohne jede
Differenzierung zu den großen geschichtlichen Leistungen
des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR sehen. Der Aufbau einer
Schwerindustrie, der weltweit mächtigsten Erdöl- und Erdgasförderung,
die großen Ergebnisse in der breiten Bildung aller Menschen, der
gigantischen Leistungen bei der Erschließung des Kosmos usw. sind
geschichtliche Wahrheiten, der Nachweis der Leistungsfähigkeit einer
sozialistischen Gesellschaft!
Das sei hier deshalb hervorgehoben, weil eine einseitige
Betrachtung zu Antikommunismus und Desorientierung einer ganzen
Gesellschaft führen können. Im Falle von A. Jakowlews Wirken war
das letztlich genau das Ergebnis- die Destabilisierung der UdSSR,
letztlich wohl Jakowlews Ziel. Der anerkannte UdSSR-Politiker Jegor
Lichatschow zeigt genau das sehr eindrucksvoll in
seinem Buch
.
In gelegentlichen Diskussionen zur DDR- Geschichte
muss man der Amtszeit Walter Ulbricht und ihm persönlich
durchaus eine positive Rolle zuerkennen, seinen Widerstand gegen
die Übernahme von extremen repressiven (KGB-) Methoden gegen politisch
Andersdenkende, gegen die physische Vernichtung von „Gegnern“. Auch
die Einbeziehung großer Gruppen von Experten (wie z.B. den Forschungsrat
der DDR) in die Perspektivplanung der Wirtschaft usw. war eine außerordentlich
weitsichtige Strategie. Das zeigt doch z.B., dass auch andere
Ansätze möglich waren!
Es ist leider
Tatsache,
dass in der Zeit bis 1990 ein Großteil der o.g. Informationen
zum "Stalin-System" in der DDR oder in der UdSSR als konkrete
Fakten und Zahlen offiziell nicht existierten. Das mag den Außenstehenden
oder den jüngeren Leser verwundern. Aber auch die selbst unmittelbar
an der Kooperation mit der UdSSR Beteiligten betrachten aus der
Sicht heutigen Wissens und aktueller Wertungen diesen Abschnitt
der Geschichte und eines Teiles ihres Arbeitslebens oft noch einmal
rückwirkend.
Sie stellen sich dabei die Frage, wie die konkrete , überwiegend
positiv erlebte Praxis der Kooperation mit den UdSSR - Spezialisten
im Zeitraum von ca. 1965 bis 1990 zusammenpasste mit dem Hintergrund
des historischen und systembedingten Umfeldes unserer sowjetischen
Partner, vieler Kollegen und Freunde, wie diese mit dieser Vergangenheit
ihrer Familien und ihres Umfeldes umgehen konnten und welche Traumata
und Lasten sie trugen.
In den persönlichen Erinnerungen des Autors an die
Zeit der Arbeit in der UdSSR - beginnend 1961 und verstärkt ab ca.
1975- überwogen im persönlichen Kontakt mit sowjetischen Menschen
ehrliche persönliche, ja oft kameradschaftliche und herzliche Seiten.
In der Wahrnehmung der öffentlichen Quellen zur Geschichte und zum
aktuellen Leben der UdSSR - wie Bücher, Museen, Filme, vielerlei
persönliche Kontakte- dominierte das menschliche Antlitz
des sowjetischen Menschen.
Das Gesamtbild der Gesellschaft aus unserem Erleben
passt daher wenig mit dem erschütternden Teil des historischen
Hintergrundes zusammen, der uns heute zu den Repressionen Stalins
bekannt ist. In unserer Erinnerung dominiert die positive Wahrnehmung
der russischen Menschen, der Ukrainer , Kasachen usw., der gewaltigen
Leistungen des Staates . Sicher war das Bewusstsein des Lebens der
sowjetischen Bürger und auch der Ausländer in der Macht eines mächtigen
Staatsgebildes auch für uns eine allgemeine Begleiterscheinung.
Das ideologisch manipulierte Umfeld sowohl in der UdSSR, als auch
der DDR gab jedoch keine greifbaren Quellen der Wahrnehmung von
Terror oder persönlicher Bedrohung. Medien aus kapitalistischen
Staaten oder dort verlegte Bücher vermittelten zwar Fakten, die
aber eher als ideologischen Diversion verstanden werden konnten
und deren Verfügbarkeit in der DDR- bis zum Begin von "Glasnost"
und "Perestroika" - offiziell nicht existierte.
Heute kennen wir viele Fakten zu den unvorstellbaren
Verbrechen durch die Machthaber im Kreml. Die "Führung"
des Landes gemeinsam mit ihren willfährigen, oft kriminellen Helfershelfer
in KGB und Organen des "Ministeriums des Inneren" schufen
durch die paranoiden, grausamen Praktiken neben den furchtbaren
menschlichen Tragödien in jeder Familie, in jedem Betrieb und Institut
auch ein tief in den Köpfen eingeprägtes Klima von Angst, Intrigen,
Verleumdungen, des blinden Gehorsams bei der Befolgung jeglicher "sicherheitsrelevanter"
Anordnungen. Die Bestrafung von durch die Behörden
nicht genehmigten Kontakten mit Ausländern , besonders mit Menschen
aus dem "imperialistischen" Ausland und "undisziplinierten" Verhaltens-
war noch weit in den 60-er Jahren ein schwerwiegendes Vergehen.
Und dann internationale Kooperation und Zusammenarbeit, darunter
mit Deutschen??
Das
Klima dieser extremen Zeit des stalinistischen Terrors
(****)
prägten zweifellos weit über den Tod Stalin
( 1953) bzw. den XX. Parteitag und Chruschtschows Rede
(1956) und auch über den Zeitpunkt des Beginnes der zweiseitigen
Kooperation ca. 1965 das Verhalten der Menschen.
Erfahrungen , welche zu Beginn der ESER- Kooperation in der UdSSR
erst ca. 10 Jahre zurücklagen und deren Wunden in den Köpfen der
Menschen noch nicht verheilt waren.
Elemente der Vergangenheit
waren aber auch weiterhin Teile des "staatlichen Sicherheitsdenkens".
In diesem Klima arbeiteten auch die UdSSR-Vorgängereinheiten des
ESER- Systems. Zumindest auch die Anfangsjahre des ESER waren
belastet von diesem historischen
Erbe im Verhalten und Denken der Menschen. Und sie wurden
erstaunlich schnell überwunden und sicher haben wir DDR- Bürger
auch dabei geholfen, ein Stück neues Vertrauen aufzubauen.
Wenn man unter diesem Aspekt
der dominanten Sicherheits- Paranoia noch einmal über die Geschichte
der sowjetischen Wissenschaft nachliest (Zu
Gesamt- Geschichte und Hauptrichtungen der Rechentechnik der UdSSR)
, wird die Bedeutung und das positive Gewicht der Arbeiten innerhalb
der MRK am ESER für die UdSSR selbst besonders deutlich, sie diente
z.B. als Katalysator vieler Integrationsprozesse. Und man erkennt
die Repressionen der Stalinzeit als eine sehr verwerfliche, aber
eben als eine Seite der Medaille.
2.
Kurzer Abriss der politischen
Etappen in der Zeit der ESER- der Kooperation
Es ist sicher sinnvoll, die wirtschaftliche Basis
und deren Umfeld als Teil der historischen Analysen der Vergangenheit
und der Einflüsse der politischen Führung sowohl der
UdSSR , aber auch in der DDR, auf das Investitionsklima und
Entwicklungs- Tempo im Bereich der ESER- Datenverarbeitung und IT-
Technologie kurz zu analysieren. Dabei soll nachfolgende schematische
Darstellung helfen.
Kommentare
zu den Prozessen in der UdSSR
:
-
die Zeit der politischen Ignoranz
der Bedeutung der "Kybernetik" für die Entwicklung
der Volkswirtschaften war 1964/65 einem enormem politischen "Boom"
zur schnellstmöglichen Verringerung des Technologie- und Anwendungs-
Rückstandes der RT / DV gegenüber den USA und Westeuropa gewichen.
-
Automatik und Rechnersysteme
entwickelten sich in der UdSSR- Landschaft im Verteidigungssektor
in den 50-ger und 60-ger Jahren schnell ( siehe z.B.
UdSSR- Computer Geschichte (1948-2000) ). In der UdSSR waren
verschiedenste Architektur- Schulen und Entwicklungs- Institute,
die vorrangig für unterschiedliche strategische Bereiche der
Landesverteidigung tätig waren, in einen höchst uneffektiven
Parallelismus verfangen (Geschichte
der Anwendung universeller EDVA in den Atom- und Kosmosprogrammen
der UdSSR).
-
in der UdSSR wurde intensiv nach
einer Lösung zur maximalen Vereinheitlichung der DV- Architektur
und der Effektivität deren Anwendung gesucht. Die Auswahl des
ESER- Vorbildsystems IBM (in der UdSSR 1968) erwies sich als
strategisch wertvolle Entscheidung .
-
das Klima in Wissenschaft und
Technik änderte sich, das Trauma der Folgen des Stalinismus
vernarbte Anfang der 60-er langsam , an der Basis der modernen
Bereiche der IT-Technik trat verstärkt eine neue Generation
Spezialisten an. Das Führungs-Management und die Führungskultur,
inklusive der Sicherheitsdoktrin , änderten sich aber nur sehr
schleppend.
-
sowohl die Amtszeit Chruschtschows,
als auch von W. Ulbrichts (1971), waren geprägt von einem steilen
Anstieg der Investitionen und der Unterstützung durch die Staats-/
Parteiführungen.
-
nach Ablösung Chruschtschows wurde
Breschnew KPdSU- Generalsekretär und der erfahrene Ökonom
Kossygin
UdSSR- Regierungschef. Mit seinem Namen verbindet sich der Versuch
der bedeutendsten Wirtschaftsreform dieser Zeit. Das vorgelegte "Starttempo"
der ESER- Periode vermittelte bis ca. Anfang der 80-ger Jahre
ausreichend starke Impulse für eine gute bis zufriedenstellende
Unterstützung im Technologie- und Investitionsbereich.
( Bild
: UdSSR Ministerpräsident A. Kossygin besucht
den Robotron- Stand der ESER- Ausstellung 1979 in Moskau
)
|
-
ab ca. 1983/84 verstärkten sich
die materiellen Schwierigkeiten der UdSSR infolge der Auswirkungen
verfehlter Wirtschaftspolitik und der enormen Belastungen aus
dem Wettrüsten massiv! Obwohl die ESER- Industrie der UdSSR
im Ministerium für Radioindustrie- einem Teil des Militär- Industriekomplex-
einen Teil des Verteidigungshaushaltes der UdSSR nutzte( der
insgesamt bis zu 70% des Staatshaushaltes ausmachte !! ), waren
das gesamte wirtschaftliche Umfeld und die politische Führung
nicht mehr in der Lage, die nötige Unterstützung im Technologie-
und Investitionsbereich zum Erhalt eines minimalen Tempos zu
leisten. In der UdSSR drängten sich Diskussionen über neuartige
Super- Architekturen in den Vordergrund, ein Indiz für den IT-
Hunger vorrangig im strategischen Rüstungssektor!
-
die Stagnation des politischen
Lebens und Denkens unter " Führung" einer überalterten
inkompetenten und ignoranten Riege von Altfunktionären, sowohl
in der UdSSR , wie auch in der DDR verhinderte effektive Wirtschaftsreformen
und die Mobilisierung moderner Kräfte der Gesellschaft.
-
die Effekte des technologischen
Fortschrittes ( Mikroelektronik, Mechatronik und Präzisionsgeräte,
neue Materialien,..... ) waren trotz intensivster Anstrengungen
vieler theoretisch leistungsfähiger Teams unzureichend, die
Isolation des RGW vom Weltmarkt, Embargo, sinnlose ideologische
Kampagnen, Korruption und Misswirtschaft waren stärker...
Zu den Prozessen
in der DDR :
-
viele Prozesse in der DDR verliefen
infolge der starken politischen Kopplung und Einflussnahmen
der sowjetischen Militäradministration oder später verschiedener
Berater ( auf Basis der Bündnisverträgen UdSSR-DDR) sehr stark
parallel zu denen in der UdSSR. Trotzdem erlangte die Rechentechnik
und Informatik für die Entwicklung der Volkswirtschaften in
den sechziger Jahren einem enormem wissenschaftlich- technischen
und volkswirtschaftlichen "Boom". Sie entwickelte
sich in dieser Phase vor allem unter dem Einfluss führender
Wissenschaftler des Akademie- und Hochschulwesens weitgehend
unabhängig und mit hohem wissenschaftlichem Niveau .
-
ab ca. 1965 verstärkten sich zweiseitige
wirtschaftlich- technische Kontakte und Arbeitsformen, die auch
zunehmend von der Erfordernissen der wirtschaftlichen Integration
mit der UdSSR geprägt waren.
-
unter W. Ulbricht erfolgte eine
starke politische Unterstützung der Vorschläge von führenden
DDR- Wissenschaftlern zum Aufbau der DDR durch Profilierung
auf zukunftsträchtige Wirtschaftszweige. Das betrifft auch entsprechende
Impulse für die außerordentlich starke Förderung von Rechentechnik/
Datenverarbeitung, wie in mehreren anderen Materialien dieser
WEB- Site deutlich wird.
-
mit dem Amtswechsel zu E. Hocker
wurde die DDR-Wirtschaftspolitik deutlich verändert. Rechentechnik/
Datenverarbeitung verloren ihr strategisch gefördertes politisches
Gewicht, konnten aber in den 80-ger Jahren neben dem "Startimpuls"
aus der vorangegangenen Periode weitgehend die Ergebnisse des
Mikroelektronik- Programms nutzen. Diese Tendenzen waren
auch in anderen Industriezweigen deutlich. Die "Einheit
von Wirtschafts- und Sozialpolitik" - die zu unvertretbar
hohen Subventionen in das Lebensniveau der Menschen führte-
- die ideologische Leitthese der Honecker- Zeit, verschärfte
wirtschaftliche Disproportionen und beschleunigte den Ruin der
DDR Industrie!
-
in der zweiten Hälfte der 80ger
Jahre führten neben den extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
die zunehmenden politischen Differenzen zwischen den Reform-
Plänen(?) Gorbatschows und der neuen UdSSR- Führung und
dem Konservatismus der DDR- Oberen zum Verlust von Möglichkeiten
stärkerer wissenschaftlich- technischer Integration, die sozialistischen
Arbeitsteilung im RGW konnte sich nicht weiterentwickeln , die
Abhängigkeit vom Technologieimport aus dem Westen stieg steil
an!
-
das wirtschaftliche Gewicht
der ESER- RT in den UdSSR- DDR-Beziehungen blieb jedoch
auf hohem Niveau. Das war vorrangig Ausdruck des
hohen Beharrungsvermögens
und der Rolle der "Linie ESER- EDVA" im Wirtschaftssystem
der UdSSR und des Rufes der DDR- Technik als exzellente Qualitätserzeugnisse.
.
-
Von der UdSSR gingen vermehrt
Signale der wirtschaftlichen Stagnation und Orientierungslosigkeit
aus.
3.
Historischer Hintergrund zu Beginn der
Kooperation UdSSR-DDR
Zunächst sei hier auf viele
Fakten und Hintergründe der Startperiode der Kooperation UdSSR-DDR
verwiesen , die ausführlich im Artikel
Start der ESER-
Arbeiten vor 40 Jahren nachzulesen sind.
Die Gründungsjahre
der neuen wissenschaftlich- technischen Organisationen, die sich im
Ministerium für Radioindustrie (MRI) der UdSSR (u.a. als Vorläufer
des ESER) mit Arbeiten auf dem Gebiet der Automatisierung
und Informationsverarbeitung befassten, fallen etwa mit der Zeit
zusammen, in der 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU erstmals öffentlich
durch die UdSSR- Führung in einer Geheimrede durch Chruschtschow
der allgemein bekannte, wenn auch äußerst inkonsequente und einseitige
Versuch der Abrechnung mit diesen Verbrechen erfolgte (die
in der DDR erst 1990 öffentlich zugängig wurde). Das
MRI war ein Teil des militärisch
- industriellen Komplexes der UdSSR und in der Phase des kalten
Krieges und des Wettrüstens war hier ein hoher Prozentsatz des Wissenschafts-
, Ingenieur- und Produktionspotentials auf Aufgaben der Landesverteidigung
gerichtet. Es bestand eine klare Trennung der Leitungsverantwortungen,
aber viele Entwicklungsprojekte wurden organisationsübergreifend
von Generalkonstrukteuren und seinem Fachdirektoren in Personalunion
geführt.
Unser Partnerinstitut "NIZEWT"
war das Leitinstitut für die Mittel der Rechentechnik innerhalb
des MRI. Derartige Organisationen bestanden als geschlossene
Einrichtungen und wurden von der Öffentlichkeit weitgehend abgeschottet.
Innerhalb der Organisationen , aber auch zwischen verschiedenen
geheimen Bereichen galten harte Regelungen des Geheimnisschutzes
und der Abgrenzung voneinander. Daher passten sich Denken und Verhalten
vieler Menschen in diesem Sektor der Gesellschaft auch in der Zeit
des "Tauwetters" der Chruschtschow-Zeit und danach nur
langsam den neuen offeneren gesellschaftlichen
Bedingungen an.
Es waren also Mitarbeiter genau dieser
hochsensibler Einrichtungen und mit diesem jahrzehntelang in allen
sowjetischen Familien gewachsenen Verhaltensweisen der Angst, der
Zurückgezogenheit und des Misstrauens, mit denen die Arbeiten zur
Zusammenarbeit an einem Einheitssystem
ESER begannen. Natürlich war auch der Abstand von 20 Jahren nach
Ende des faschistischen Krieges für die Kriegsteilnehmer im UdSSR-
Management nicht unbedingt sehr vertrauensfördernd, was allerdings
für die neue Generation der Spezialisten wenig spürbar war. Erst
langsam verbesserten sich im Allgemeinen die Zustände und die Arbeitskultur
der sowjetischen Gesellschaft wieder schrittweise und stark differenziert.
Auf diesem historischen Hintergrund
beobachteten alle unmittelbar an Kontakten mit sowjetischen Spezialisten
Beteiligten eine kontinuierliche sehr wohltuende
Lockerung der Verhaltensmuster der Menschen
und der offiziellen Bedingungen der Zusammenarbeit,
obwohl das UdSSR- Leitinstitut NIZEWT und andere Einrichtungen des
MRI immer "geschlossene Betriebe" waren.
Im Verlaufe
der gesamten Arbeiten bis 1990 verlief innerhalb des NIZEWT eine
unsichtbare Grenze zwischen der Arbeiten zum ESER im internationalen
Rahmen einerseits, sowie den Arbeiten im Bereich der Aufgaben des
NIZEWT zur Landesverteidigung. Getragen oftmals von den gleichen
Personen stellte das sicher mehr als eine Gratwanderung dar, war
aber für unsere Kooperation nicht störend. Wohl aber beeinflusste
das Faktengemisch aus dem besonderen historischen "Erbe"
im Umgang mit Staatsgeheimnissen einerseits und den Erfordernissen
einer angestrebten multivalenten Nutzung der wissenschaftlich- technischen
Arbeitsinhalte ( Basiskonstruktion, Betriebssysteme, anteilig auch
die Bauelemente-Basis u.a. ) das Arbeitsklima. Einen wesentlichen
Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse des Anteiles an geheimen
Arbeiten kann man erst heute deutsch nachlesen -siehe
NIZEWT 2003.
Die unmittelbar beteiligten DDR-Spezialisten finden diese Informationen
noch heute sehr aufschlussreich.
Es war, besonders im Lichte des kurz
Dargestellten, für die große Mehrheit aller unmittelbar beteiligten
DDR- Spezialisten eine besondere Erfahrung, wie sich im Verlauf
der ca. 20 Jahren bis 1990 die menschlichen Kontakte und Arbeitsbeziehungen
schrittweise
positiv entwickelten und oft sehr herzliche, freundschaftliche Formen
annahmen.
Aus wirtschaftlicher
Sicht war ein Teil des Exporterfolges der EDVA der DDR dem Umstand
zu danken, dass über das MRI der Zugang in alle geschlossenen Bereiche
der UdSSR erfolgte und viele DDR- EDVA dort zum Einsatz kamen.
Organisation der Zusammenarbeit
Die Form eines Regierungsabkommens
und der Status des Ministeriums für Radioindustrie (MRI) als Teil
des Militär- Industriekomplexes der UdSSR - Wirtschaft , hoben den
Status der ESER- Arbeit für die Zeit Anfang der 70-ger Jahre auf
ein außerordentlich hohes "Protokoll- Niveau". Dem
NIZEWT als ESER- Trägereinrichtung wurden in Moskau wertvolle
materielle Ressourcen zugeordnet, wie z.B. die Übergabe eines neuerbauten
großen Wohnhochhauses mit ca. 80 Wohnungen für die Nutzung als Spezialisten-
Hotel, die Übergabe einer separat gelegenen Kindergarten- Kombination
als Tagungs- und Organisationskomplex, der Zugriff zum Fahrdienst
des Ministerrates für den Personentransport der ausländischen Spezialisten
u.a.. Gleichzeitig war damit sichergestellt, dass alle Arbeits-Beratungen
und mehrseitigen Treffen außerhalb der eigentlichen Arbeitsgebäude
des NIZEWT oder anderer Institute erfolgten. Dieser "Kindergarten"
- das sogenannte "Objekt 7" war jahrelang - bis
ca. 1985-1986 - der einzige Ort, an dem die ausländischen Spezialisten
mit ihren sowjetischen Kollegen arbeiteten und wo alle Voraussetzungen
der technischen Betreuung größerer Arbeitstreffen ( Protokolle ,
Fachbibliothek, Essenversorgung u.a ) gegeben waren.
Während im Rahmen der
mehrseitigen Arbeiten des RCK ESER jährlich zusätzliche
Arbeitstreffen in den Teilnehmerländern stattfanden, die in den
Betrieben und Instituten der ESER- Mitwirkenden stattfanden und
den Teilnehmern Einblicke in den Arbeitsstand des jeweiligen Landes
vermittelten, wurden derartige Treffen in der UdSSR ausschließlich
bilateral und auf hohem Protokoll- Niveau organisiert. Die Teilnehmer
der Delegationen solcher Treffen waren der UdSSR- Seite genau bekannt.
Die langjährige Kooperation
bei der Entwicklung der ESER- Betriebssysteme
( siehe dazu detailliert die zugehörige Seite
DDR- Betriebssysteme des ESER
und den Artikel
Betriebssysteme des ESER-UdSSR
) war eine Besonderheit in der grenzüberschreitenden Kooperation
von zwei Arbeitskollektiven, wie sie in dieser Tiefe, Kontinuität
und Stabilität wohl im gesamten RGW extrem selten war.
Im ESER- Rahmen existierten wohl nur noch zwischen bestimmten Bereichen
der sowjetischen ESER- EDVA- Entwickler ( Minsk) und ihren bulgarischen
Fertigungs- Partnern analoge Beziehungen. Im Verlaufe der gesamten
Dauer der Arbeit der DDR in der MRK (1969- 1989) waren jährlich
große Software- Entwicklungskollektive
auf vertraglicher Basis mit der arbeitsteilig abgestimmten Entwicklung
verschiedener ESER- Betriebssysteme beschäftigt, insgesamt wurden
dabei ca. 6.000 Mannjahre Leistungen verrechnet und ca. 6
Mio "lines of code (ESER- Befehle)" incl. Dokumentation erarbeitet.
Die Tätigkeit dieser Kollektive berührte
- vor allem in bestimmten Phasen der Arbeit am rein sowjetischen
Betriebssystem "BPS (БОС)"- sehr "sensible Einsatzgebiete"
auf UdSSR- Seite. Den beteiligten DDR-Spezialisten war meist klar,
warum spezifische Aufgabenstellungen durch die UdSSR- Seite mit
Nachdruck vertreten wurden. Allen Beteiligten war auch bewusst,
dass russische "Sicherheits-Beauftragte" die Arbeiten
begleiteten. Trotzdem gelang es den UdSSR- Spezialisten, die teilweise
hohe Vertraulichkeit ihrer Arbeiten formal aus der zweiseitigen
Arbeit auszuklammern und der DDR- Seite keinen konkreten Einblick
in den Hintergrund ihrer Arbeit zu geben. Im Verlaufe der ca. 15
Jahre währenden zweiseitigen Kooperation wurde uns dabei in der
UdSSR auch kein Fall von personellen "disziplinarischen"
Konsequenzen gegen eigene Mitarbeiter bekannt. Das war sicher ein
Ergebnis der langjährigen UdSSR- Schule zur unbedingten Einhaltung
höchster Disziplin und Wahrung von Vertraulichkeit, aber auch Ausdruck
eines neuen Sicherheitsdenkens.
Im Verlaufe der Jahre entwickelte
sich eine ausgefeilte Technologie der Kooperation und ein enges
Zusammenwirken der Beteiligten, welches mindestens vergleichbar
war mit der Kooperationskultur von zwei sowjetischen Institutionen,
aber von der Effektivität sicher wesentlich höher lag. Diese Technologie
umfasste auch die sehr häufige Arbeit von DDR- Spezialisten im vertraulichen
NIZEWT- Rechenzentrum, wo die Software- Arbeiten erfolgten.
Persönliche Freundschaften und ein
offener kameradschaftlicher Umgang waren eine weitere wohltuende
Seite der Arbeiten.
Solche Faktoren wie
-
Schlüsselrolle
des Arbeitsgegenstandes für das Gesamtprojekt "ESER"
und des Wirtschaftserfolges beider Seiten
-
höchste Qualität und Verlässlichkeit
der Leistungen
-
umfassende Unterstützung durch
das Management ( Ministeriumsebene, staatliche Stellen ) bei
allen Erfordernissen der materiellen Sicherung der Arbeiten
;
-
relative Eigenständigkeit der
Wirtschaftsbereiche der UdSSR (darunter MRI) von der politischen
Führung des Landes bei strategischen technischen Entscheidungen
-
exzellente materielle Voraussetzungen
bei Entwicklungsgrundlagen und Entwicklungstechnologie beider
Seiten
-
führendes Management durch eine
junge ( poststalinistische ) Generation von Führungskräften
auf UdSSR- Seite
-
sehr offener und herzlicher Charakter
des russischen Volkes im Umgang mit echten Freunden (ein Verhältnis,
was man nicht leicht gewinnt und schnell verlieren kann und
das bis ca. 2000 noch allerorts in Russland zu spüren war )
-
wirtschaftliche und politische
Notwendigkeit einer fruchtbaren Kooperation mit der UdSSR als
Grundlage der Existenz der ESER- EDVA- Linie der DDR
-
deutliche persönliche materielle
Anreize für gute Vertragserfüllung ( Lizenzprämien) aller Entwickler
waren die Grundlage einer neuen Form
der Kooperation, was aus dem historischen Umfeld der Vergangenheit
noch vor einer Generation undenkbar war. Allerdings bleib das Projekt
ESER- Betriebssysteme
das
einzige
Arbeitsfeld, wo derartige enge Arbeitskontakte
bestanden. In den Bereichen
der Hardwareentwicklung und anderen Systemarbeiten blieben die Arbeiten
streng auf nationale Teams begrenzt, am Ende der Entwicklung erfolgten
lediglich gemeinsame Prüfungen.
Die letzten Ausführungen mögen allerdings
nicht bedeuten, dass aus Sicht des Autors das Chruschtschow- Tauwetter
und Gorbatschows Glasnost bis Ende der Sowjetunion alle Formen übertriebenen
Sicherheitsdenkens und daraus folgende Einschränkungen der persönlichen
Freiheit der Menschen überwunden hatten. Viele Aspekte verschwanden
auch in den demokratischsten Zeiten der Glasnost und nach 1990 unter
Jelzin nie. Sie verstärkten sich mit dem Machtwechsel Jelzin- Putin
wieder. Heute sind besonders Methoden der ideologischen Manipulation
und Demagogie früherer Jahre
in neuem Gewand
wieder staatliche Praxis... Gelernt ist gelernt!
Die Wirtschaft Russlands entwickelt
sich trotzdem stark und schnell !
4.
Resümee
-
Es bleibt ein Phänomen, wie es
über mehrere Jahrzehnte unter den vielen Missständen in der
politisch- ideologischen Führung und im Wirtschafts- und Kultur-
Klima und bei mehreren Versuchen einer Kurskorrektur der Wirtschaftspolitik
gelingen konnte, gewaltige Großprojekte zu planen, straff zu
führen und die Planungen auch zu realisieren. Die sowjetischen
Methoden des
"Großprojekt- Managements"
waren nur durch hohe Intelligenz und Kompetenz der Leitung möglich
und nutzten neben den reichen Ressourcen des Landes vor allem
auch den Enthusiasmus seiner Menschen. Die Aufbauleistungen
wurden erreicht, oftmals und zu verschiedenen Zeitabschnitten
unterschiedlichen massiven Druck und Angstpotential, aber
keineswegs dadurch ermöglicht! Fakt bleibt, dass diese
Gesellschaft bis ca. 1985 in der Lage war, gewaltige Leistungen,
wie Großbetriebe der Energie- und Grundstoffindustrie, Flugzeug-
und Raketenprojekte, die Weltraumfahrt, Projekte der Atomenergie,
der Aufbau des Grundstoffkomplexes "Norilsk- Nickel"
oder der "Baikal- Amur- Magistrale" u.a. zu erbringen.
-
Es ist höchst beeindruckend, dass
das Potential Russlands und dessen geistige Elite trotz des
verheerenden Terrors der Stalinzeit durch hohe Intelligenzleistungen
und straffe Organisationsformen in der Lage war, höchste Ergebnisse
bei der Entwicklung großer neuer Produktions- und Erzeugnis-
Komplexe
zu erbringen. Die gewaltige Aufbauarbeit und Wiederherstellung
der Wirtschaft nach dem Kriege wurde trotz der gewaltigen Verluste
im Krieg gegen Hitlerdeutschland erfolgreich und mit hohem Tempo
geleistet
-
Das sowjetische Hochschul- und
Akademiesystem hat sich neben hohem akademischen Niveau hier
bzgl. seiner Effektivität bei der Ausbildung bewährt. Bedeutender
Faktor für hohe Intelligenzleistungen war und ist der
außerordentliche Stellenwert, den
Wissenschaftler im gesellschaftlichen Leben einnehmen. Ein erfolgreiches
Studium für einen jungen Menschen war und ist auch in der aktuellen
Zeit in Russland ein hohes Ziel. Der Faktor Bildung besaß und
besitzt einen hohen gesellschaftlichen Wert, er motiviert enorm
und ist ein Eckstein für die Zukunftsplanung der jungen Menschen!
-
Der Sieg über den Hitlerfaschismus,
dessen Hauptlast und Hauptopfer bei der Sowjetunion lagen, zeigt
die gewaltigen Möglichkeiten eines sozialistischen Gesellschaftsmodells.
Es kann aber, trotz aller Widersprüchlichkeit hierzu, keine
Rechtfertigung oder Relativierung der Verbrechen, des Terrors
und der Entartung des Sozialismus geben.
-
Es wäre historisch unsinnig, in
die Vergangenheit gerichtete
Gedankenexperimente
mit der Suche humanerer, demokratischerer
Alternativ- Wege zu betreiben ("was
wäre , wenn.... ") . Es war die große Chance Russlands
nach 1917 , solche humaneren Wege
im geschichtlichen Kontext zu gehen. Es bleibt aber die Überzeugung,
dass solche großartigen Leistungen, z.B. der sowjetischen Großprojekte,
nicht wegen des Terrors und Druckes des Regimes erfolgreich
waren, sondern wegen der innewohnenden Kraft des
gesellschaftlichen
Eigentums an den Produktionsmitteln, trotz vieler Widersprüche
!
-
Fakt ist , dass die Anfangs-Konzeption
der politischen Wende unter Andropow, später Gorbatschow , die
richtigen Ziele einer Korrektur und Neuordung der sowjetischen
Gesellschaft setzten. Gegner des Sozialismus machten letzten
daraus eine Konterrevolution!
-
Nach allem, was wir heute wissen,
muss man zur Überlegung kommen, dass diese Möglichkeit eines "erfolgreichen
besseren Weges" bestand. Die zutiefst menschlichen
Tragödien der Geschichte seit Beginn der menschlichen Zivilisation,
dass Machtgier, Brutalität und Intrigen mehr Herrschern
"genutzt" haben und ihre Völker in Katastrophen
und Tragödien führten, als dass es klugen und charakterlich-ethisch
menschlichen Politikern, Fürsten, Politbüro-Mitgliedern oder
wem auch immer oft mit Erfolg gelungen wäre, ihre Visionen zur
Realität zu machen.
Die Zeit nach dem XX. Parteitag der KPdSU bot offenbar eine
Phase historischer Chancen , das Sozialismusmodell den modernen
Erfordernissen der Welt nach dem 2. Weltkrieg anzupassen. ( Dazu
ist ausführlicher im Artikel
zu
lesen.)
5.
Russland 2009- Schlußgedanken
Im aktuellen Russland ist nunmehr
eine junge Generation
auf der oberen
Ebene politischer und wirtschaftlicher
Macht.
Leider kann
man nicht sagen, dass der humanistische Gehalt
der russischen Kultur und die Visionen der demokratischen russischen
Intelligenz zu Führungsmaximen der heutigen Politik geworden sind,
als eine Lehre aus der Geschichte...
. Das war weder unter Jelzin so, noch war Herr Putin dafür angetreten.
Russland nach dem Niedergang der Ära Jelzin wieder zu einer "Weltmacht"
erstarken zu lassen, bedurfte neben einigen neuen demokratischen
Gremien vor allem gekannter russischer "Machtinstrumente",
wie sie die Zaren schon nutzten und deren Zentrum der Kreml mit
seiner Administration ist. Die Stärken Russlands - reiche Bodenschätze
und hochentwickelte Rüstungsindustrie- wurden wieder zum Kern der
Wirtschaftspolitik!
Eine große Stärke der UdSSR, die hochentwickelte
Wissenschaft, vor allem aus dem Bereich der Akademie der Wissenschaften
und deren Forschungslabors als einen gewaltigen Wirtschaftsfaktor
und großes Wachstumspotential des Landes zu nutzen, ist mit Teilung
der UdSSR und der Privatisierungswelle des Reichtums des Landes
weitgehend verloren gegangen, viele Bereiche der Wissenschaft
müssen heute, trotz weiterhin existenter Leistungsfähigkeit, um
ihre Existenz kämpfen. Gemäß Einschätzung des anerkannten Physikers
und Nobelpreisträgers , AM. Prof. Alfjorow ,hat Russland im Bereich
der Hochtechnologie- Industrie den Zeitraum von ca. 20
Jahren verloren
. Entsprechend ist auch das Niveau der Anforderungen an wissenschaftliche
Höchstleistungen durch die Wirtschaft zurückgeblieben und
wissenschaftliche Spitzenergebnisse können infolge hoher Investitionserfordernisse
für ihre industrielle und marktgerechte Verwertung auch nur mit
extremen Anstrengungen genutzt werden. Hieraus folgen die Abwanderung
der leistungsfähigsten jungen Wissenschaftler, der weitergehende
Niedergang der Wissenschafts-Institutionen des Landes usw. Andererseits
ist für Russland kein anderer Weg denkbar, als durch führende Intelligenz-
Leistungen eine Position im Vorderfeld der Industrienationen wiederzugewinnen.
Man kann auch zu der Meinung
gelangen, dass eine neue Welle nationalistischer und großmachtchauvinistischer
Tendenzen zum Aufbau eines "starken Russland" mit Mitteln
und von Personen geführt und unterstützt wird, deren Lehrer, Väter
oder Großväter Mittäter des Terrors oder später Handlager ideologischer
Manipulation der Gesellschaft waren, und dass
Machtgier, Brutalität, Intrigen,
gezielte ideologische Manipulation u.a. den heutigen Mächtigen
weiterhin nutzen und von ihnen durch die "Privatisierung"
der Reichtümer Russlands für kurzfristige subjektive Ziele genutzt
werden.
Die
wirtschaftliche Macht eines
"Petrostaates"
mit hochentwickelter Rüstungsindustrie und weiterhin sehr leistungsfähiger
technischer Intelligenz ergibt heute ein neues Verhältnis
des Westens zum modernen Russland. Die Tendenzen des Ausbaus einer
autoritären Präsidial- "Demokratie",
wurden in den Monaten um den Machtwechsel Putin- Medwedjew (Wahlen
02.03.2008) sehr umfassend deutlich. Ebenso zeigte die Rolle, die
das Netz der vom ( bisherigen ) Präsidenten Putin gesteuerten Geheimdienste
(deren Zahl in letzter Zeit noch deutlich erweitert wurde) bei der
politischen und wirtschaftlichen "Verwaltung" des Landes
spielen, äußerst beunruhigende Parallelen zu Praktiken vergangener
Jahre, indem der Machtapparat letztlich zur Durchsetzung der persönlichen
Interessen einer kleinen Gruppe von "Eliten" missbraucht
wird.
Der Mechanismus einer
leistungsfähigen
Demokratie
kann sich- weltweit- nur dadurch bewähren, dass er klugen und charakterlich-ethisch
sauberen Politikern ein mehrheitliches Votum zur Macht erteilt!
Ohne diese Bedingung ist auch eine
parlamentarische
Demokratie letztlich ein stark subjektiver Machtmechanismus
der "Eliten"
einer Gesellschaft ... .
Deutliche
Versuche
von Präsident Medwedjew, Russland in eine stärker liberal- demokratisch
geprägte Staatskultur zu lenken und Hemmnisse der Entwicklung zu
überwinden, sind derzeit Erklärungen. Senkung der Überzentralisierung
des Staatswesens, demokratische Ausgestaltung des Gewichtes des
Staates in der Wirtschaft (weniger Macht einzelner Personen
aus dem Staatsapparat), Aufbau dezentraler Wirtschafts- und Organisations-
Zentren für dieses riesige und von vielen Interessengruppen beeinflusste
Land, stärkere Entwicklung von Hoch- Technologien, Verbesserung
des Bildungssystems, Entwicklung von Schulen , Hochschulen
und Förderung der Rolle von Lehrern und Hochschulprofessoren, Stabilisierung
des Gesundheitswesens sind nur einige Themen seines Aktionsprogramms.
Insider beobachten
mit Interesse und Skepsis, inwieweit ein Gleichklang der Interessen
und des Programms des Präsidenten Medwedjew mit den Machtinteressen
und Ambitionen von Ex- Präsident Putin erreicht werden wird.
Der Wahlkampf zur
nächsten Präsidentenwahl könnte das beantworten.
In Russland wird der Übergang zu einer
parlamentarischen
Demokratie- auch mit neuen Köpfen- noch viel Zeit
brauchen, eine Demokratie nach westlichem Muster wird es aber nicht
sein!
Bild: Minister für Radioindustrie der UdSSR
Pleschakow mit sowjetischen Kollegen
( Dresden, Februar
2008 , überarbeitet Januar 2010
|