Beiträge zur DDR- Geschichte des EinheitsSystem der Elektronischen Rechentechnik (1968-1990)
Rechentechnik der DDR im ESER Der internationale Vertragsrahmen Arbeitsumfeld des ESER in der UdSSR Arbeitsumfeld des ESER in der DDR
Produkte und ROBOTRON-Teams Rückblicke & Anmerkungen zur IT    
 
Vorgeschichte der IT in der UdSSR 1948-1970

NIZEWT und ESER-Mainframes der UdSSR
Etappe ab 1985 in der UdSSR
Paradigmenwechsel Etappe der Supercomputer

Artikel# im Moskauer_
_Virtuellen_Computermuseum_(russisch):im Virtuellen Museum Moskau
Technologie-Aspekte 2017- Erinnerungen an V.V. Prschijalkowskij
  

Zum Arbeitsumfeld des ESER in der UdSSR

Eine Bemerkung aus dem Jahre 2023:

Die gesamte ESER-DDR Domäne enthält ausführliche umfangreiche Informationen zur Rolle der UdSSR bei der Realisierung eines internationalen Grossprojektes im  IT-Bereich , der Bedeutung des Wirtschafts- und Systemverbundes der DDR mit der UdSSR und viele Informationen zur Entstehung einer mächtigen IT- Industrie in der UdSSR . Ohne das internationale ESER- Projekt hatten die DDR- Aktivitäten keinerlei wirtschaftliche Grundlage. Daher ist es wichtig, diese Zusammenhänge als Fundament unserer Arbeit zu sehen .

 

Zum Thema dieses Artikels:

Man kann mit aktuellen Begriffen sagen, dass  das ESER- Abkommen die Bildung  eines "virtuellen internationalen Konzerns"

Platz der Leitorganisation des ESER- dem Entwicklungszentrum NIZEWT, zum Ziel und zur Folge hatte, der in allen wesentlichen Systemfragen von den verantwortlichen Organisationen der Regierung der UdSSR geführt wurde. Das System "ESER" hatte höchste strategische Bedeutung für die Schaffung einer modernen  universellen, vorrangig zivilen Informations- Industrie und IT- Anwendung in den Teilnehmerstaaten , besonders in den Hauptentwickler- und -Produktionsstaaten UdSSR, DDR und VRB (Bulgarien). Allerdings waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ( Geschäftsfeldplanung, Investments, Preisbildung u.a.) sehr wenig vergleichbar mit der Arbeit eines typischen westlichen Konzerns.

Hier soll vorrangig eine Erläuterung bzw. Vertiefung des Verständnisses der Rahmenbedingungen erfolgen , unter denen sich die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen und auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zum ESER gestaltete. Die Informationen über Fakten der Geschichte der UdSSR-IT sind für das Verständnis der Gesamtzusammenhänge unverzichtbar, d.h. ohne die geschlossene Darstellung dieser Kooperation wird die Gesamtheit des ESER nicht verständlich. Aber auch Informationen zu den die mit höchster staatlicher Unterstützung weiterlaufenden Arbeiten zu Supercomputern runden dieses Bild ab (s. u.).

Wichtige technisch-systemtechnische Aspekte der ESER- Arbeit:

  • Zweck der Arbeiten im ESER- System war die Produktion und Nutzung eines Systems moderner Rechentechnik für den umfassenden Einsatz in der Volkswirtschaft, welches von seiner Systemarchitektur international anerkannte Normen erfüllte. Um Zeit und Aufwand sowie Entscheidungsprozesse zu sparen und viele Arbeiten der Anwendungs- Vorbereitung weitgehend parallel zu gestalten, diente die international führende Systemarchitektur /360 der Firma IBM als "Prototyp" und als unbestrittene Entwicklungsvision;

  • die Komplettierung von IT- Systemen aus Komponenten verschiedener Teilnehmerstaaten sollte durch Spezialisierung einzelner Großbetriebe der Teilnehmerländer auf bestimmte Technologien und Produkte erfolgen und die unternehmerisch erforderlichen hohen Stückzahlen ermöglichen. Das war aber auch mit wesentlichen Risiken und später Hemmnissen verbunden ( Liefertreue, Preisabhängigkeit, Kapazitäten,.. ) .

  • Die Spezialisierung erforderte eine strenge, tiefgehende systemtechnische und technische Standardisierung, die jedoch den technischen Standards und technischen Möglichkeiten der UdSSR entsprechen musste. Da diese in systementscheidenden Fragen grundsätzliche Abweichungen zu westlichen Standards haben, war z.B. die gesamte konstruktiv- technologische Basis "made by ESER". Der Nachweis der Einhaltung dieser "Allgemeinen technischen Forderungen" war die Hauptbedingung erfolgreicher Exporttätigkeit in die UdSSR;

  • Die UdSSR-Grundsätze der Entwicklung und des Einsatzes strategisch wichtiger Güter waren absolut bindend:

    • vollständige Unabhängigkeit aller technischen Komponenten von Importen von außerhalb des RGW (Comecon) für den Produktionszeitraum/ Anwendungszeitraum und strenge Ausnahmen im Entwicklungszeitraum;

    • Einhaltung der technischen Standards der UdSSR für eine Klasse" stationärer Rechentechnik", welche unter härtesten klimatischen und logistischen Bedingungen zum Einsatzort transportierbar sein mussten und dort auch für zivile Nutzung extremen Betriebsbedingungen zu genügen hatten;

    • hohe Verfügbarkeit und Einhaltung wesentlicher Eigenschaften für eine nationale, lokale Service- Betreuung durch UdSSR- Dienste;

    • die konstruktive Möglichkeit der Installation der Technik in geschützten Räumen

    • Existenz einer vergleichbaren zweiten Produktionsstätte ( second source) bei Kernkomponenten u.a.

Wesentliche wirtschaftliche Aspekte  für Entwickler/ Produzenten :

  • Im Planungssektor bestanden auf Regierungsebene bestimmte Rahmenprotokolle für einen 5- Jahreszeitraum , jedoch war die o.g. Spezialisierung keineswegs verbindlich mit Liefermengen verknüpft. Auf Ebene der nationalen Planungsorgane wirkte eher ein stark marktwirtschaftliches Szenario, so dass die Entwicklung einer Produktreihe und der Aufbau zugehöriger, z. Teil enorm teurer Fertigungs- Technologie stark abhängig waren von nationalen Planungen und einem gewissen "Qualitäts- Image" beim Exportland. Andererseits war eine gelungene Markteinführung beinahe ein "Selbstläufer" beim UdSSR-Vertrieb, der eher ein Verteilungsprozess war.

  • Die Management- Ebene der Firmen der Teilnehmerländer hatte in Form der ESER- Organisation einen zweifellos hochrangigen Zugang in Regierungskreise der UdSSR, vor allem auf Ebene der Plankommission und des Ministeriums für Radioindustrie (MRI)  .

  • Die Entwicklung/Export von sog. "Zentraleinheiten" (Prozessoreinheiten) war praktisch unabdingbar verknüpft mit der Notwendigkeit, dafür geeignete eigene (schutzrechtsfreie) Operationssysteme (OS) bereitzustellen. Die Preise für Operationssysteme wurden ohne Anwendung üblicher Lizenz- Gebühren gemäß ihrem "reinem Produktionsaufwand" gebildet.

  • Die Entwicklung der OS für "Zentraleinheiten" musste daher durch geeignete zweiseitige Kooperation mit der UdSSR erfolgen, der DDR- Anteil an den OS- Entwicklungen des ESER war sehr teuer, diente aber als Sicherheit für den UdSSR Export und wurde über Umlagen auf den Hardwarepreis refinanziert.

  • Die Leistungen bei der OS- Entwicklung durch DDR- Spezialisten, die bei entscheidenden OS ca. 50% des Entwicklungsumfanges auf zweiseitiger paritätischer Vertragsbasis erbrachten ( Betriebssysteme des ESER) , sind ein besonders gelungenes Kapitel der zurückliegenden Arbeit und wirken bis in die Gegenwart nachhaltig positiv für viele ehemalige Mitarbeiter. (siehe auch Chancen nach 1990)

  • Zu bemerken ist hier auch , dass das Ministerium für Radioindustrie als ESER- Leitministerium gleichzeitig stark in Aufgaben im Bereich der Landesverteidigung der UdSSR eingebunden war. Es setzte daher seine Kapazitäten zum Teil anteilig für diese Aufgaben ein, zu denen ausländische Spezialisten oder Firmen keinerlei Zugang hatten, aber deren Einfluss durch Besonderheiten bestimmter Aufgabenstellungen immer wieder spürbar war.

    Das Ministerium selbst konnte seine Koordinierungsaufgabe innerhalb der russischen Regierung gleichzeitig im Sinne eines "langen ESER- Hebels" nutzen, um Entscheidungen zu Ressourcen, Technologieentwicklungen usw. günstig zu gestalten, insbesondere im Zeitraum bis ca. 1985 . Nach der zweiten ESER- Ausstellung Moskau erfolgte z.B. in der UdSSR ein regelrechter Investitions- Boom in die Branche, der aber keine nachhaltige Kontinuität sicherte. Die UdSSR benötigte " strategische Supercomputer", deren Auftraggeber im Militär- Industriekomplex stark an der Weiterführung der Elbrus- Architektur interessiert waren. Alle Ressourcen der Mikroelektronik wurden strategisch orientiert... .

Um das ESER bestand ein breites  Informationstechnik- Umfeld 

 

Die Geschichte der Digitalen "elektrischen" Rechentechnik beginnt  in der UdSSR - wie auch in anderen führenden Industriestaaten-  Ende der 40er- Jahre (des schon vergangenen Jh.). Es war uns daher ein spezielles Anliegen, diese historischen Wurzeln und deren Triebkräfte im Abschnitt Gesamt- Geschichte und Hauptrichtungen  Rechentechnik  der UdSSR vor allem dem deutschsprachigen Leser näher zu bringen. Aber auch die Etappe ab 1970 wurde nicht durch das ESER monopolisiert. Die parallel laufenden Arbeiten und Fakten sind bemerkenswert.

Es sei -durchaus relevant zur ESER Geschichte- daher noch auf die Etappe der Supercomputer in der UdSSR und die aktuellen staatlichen Programme zur Entwicklung der Informatik/ Rechentechnik, vorrangig im strategischen Bereich der Hochleistungs- Architektur verwiesen, die nach 2000 in der RF aufgelegt wurden.

Die einzelnen Unterseiten dieser Seite werden diese Aussagen vertiefen.

 

 
Artikel im Moskauer  Virtuellen Computermuseum (russisch):

# Über das NIZEWT:  https://computer-museum.ru/articles/predpriyatiya-i-nii/3141/?sphrase_id=691653
# Übersicht über die Rechner der Soz-Länder im Museum https://computer-museum.ru/histussr/es_sodr.htm

# Aspekte der IT Technologie Rückblick und Übersicht weitere  Artikel : https://computer-museum.ru/articles/es-evm/1469/?sphrase_id=691649
# Zur Startphase des ESER aus Sicht der DDR :  https://computer-museum.ru/articles/vychislitelnaya-tekhnika-sotsialisticheskikh-stran/1544/
 
  • Bild oben : Der Generalkonstrukteur V.V. Prschijalkowskij erläutert dem Mitglied des Politbüros des ZK KPdSU und UdSSR-Ministerpräsidenten Kosygin und dem Minister für Radioindustrie Pleschakow Pläne.

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